Das heutige Energieversorgungssystem zeichnet sich durch vernetzte, geografisch verteilte Strukturen aus, die höchsten Sicherheits- und Zuverlässigkeitsstandards genügen müssen. Die Transformation dieses Systems auf eine nachhaltige und durch erneuerbare Energien geprägte Struktur ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Die inhärente Volatilität erneuerbarer Energiequellen erfordert eine Abkehr von hierarchisch strukturierten Top-Down-Energienetzen hin zu flexiblen, sektorübergreifenden und intelligenten Energiesystemen mittels eines zellularen Ansatzes. Daher stellen im Zuge der Energiewende sog. Microgrids eine wichtige Lösungskomponente dar, um auch zukünftig eine sichere, saubere, effiziente und kostengünstige Energieversorgung zu gewährleisten. Mit dem Begriff Microgrid wird das Konzept eines lokalen Netzes bezeichnet, welches aus Energiequellen, -speichern und -verbrauchern verschiedener Sektoren besteht, und welches mit oder ohne externe Netzankopplung arbeitet. Durch diese Struktur entstehen vielfältige Flexibilisierungsoptionen im Betrieb. Hierdurch können beispielsweise der Eigenverbrauchsanteil regenerativ bereitgestellter Energie erhöht und die am Netzanschlusspunkt benötigte Spitzenleistung reduziert werden.
Durch die lokale Integration regenerativer Energien mittels Microgrids, beispielsweise innerhalb von Industrieunternehmen oder Wohnquartieren, werden die Verteil- und Übertragungsnetze entlastet und der Bedarf für den kosten- sowie ressourcenintensiven Netzausbau gesenkt. Auch wird Effizienz der Energieversorgung gesteigert, da der verlustreiche Transport über lange Distanzen vermieden und die Energie verstärkt vor Ort erzeugt und verbraucht wird. Durch die lokale Speicherintegration können Microgrids darüber hinaus netzdienliche Leistungen innerhalb der Primär-, Sekundär- und Tertiärregelung bereitstellen und im Notfall als sog. Inselnetze sogar autark operieren. Diese netzstabilisierenden Maßnahmen können verstärkt werden, wenn geographisch benachbarte Microgrids zu virtuellen Kraftwerken bzw. Großspeichern gekoppelt werden.
Die Potentiale von Microgrids werden weltweit bisher vor allem akademisch untersucht. Die industrielle Umsetzung ist allerdings mit hohen technischen und finanziellen Risiken behaftet, insbesondere für KMUs. Für den erfolgreichen Transfer in die Wirtschaft sind jedoch sowohl umfangreiche Praxis-Untersuchungen als auch die Ertüchtigung der Microgrid-Komponenten (z.B. Power-to-X Technologien) für den Feldeinsatz unerlässlich. Damit NRW vom enormen Wertschöpfungspotential dieses Technologiefeldes auf einem umkämpfen Weltmarkt zukünftig profitieren kann, müssen F&E-Anstrengungen intensiviert und der Wissenstransfer in die Industrie verstärkt werden. Zu diesem Zweck wird das Kompetenzzentrum für Energietechnik (KET) der Universität Paderborn die Forschungsinfrastruktur „Microgrid-Labor“ aufbauen. Kernstück des Labors ist die Entwicklung sowie der Aufbau einer hochflexiblen, modularen Entwicklungs- und Validierungsplattform für die komponentenbezogene und systemische Microgrid-Forschung. Zum Aufbau des Labors sind Hochleistungs-Netzknoten zu entwickeln. Diese sind frei konfigurierbar und flexibel ansteuerbar. Durch geeignete Software bilden diese das Verhalten beliebiger Komponenten, z.B. von Batterien, Windkraftanlagen oder BHKWs, exakt nach. Die Netzknoten werden durch steuerbare Schalter in frei wählbaren Topologien zusammengeschlossen. Diese hard- & softwareseitige Rekonfiguration erlaubt die praxisnahe Forschung innerhalb lokaler Netze bis in den Megawatt-Bereich. Nach Inbetriebnahme der Infrastruktur wird diese Plattform für vielfältige F&E-Projekte. insbesondere in Kooperation mit Unternehmen genutzt, um sowohl energietechnische Komponenten neu- bzw. weiter zu entwickeln als auch um innovative Kommunikations- und Betriebsstrategien für Microgrids zu entwerfen.